„6 Suites a Violoncello Solo senza Basso“ lautet der Titel auf der Abschrift der Suiten, welche Bachs zweite Frau Anna Magdalena Ende der 1720er Jahre verfasst hat. Da Bachs Handschrift verschollen ist, ist diese Abschrift neben drei weiteren aus der Zeit unsere wichtigste Quelle. Wie der Titel schon ausdrückt, ist es eine französische Form, die Suite, gespielt auf einem italienischen Instrument, dem Violoncello. Und zwar „senza basso“, also ganz ohne Begleitung, was für das Generalbasszeitalter, wo die Harmonie im Zentrum steht, aussergewöhnlich ist. Nach den 6 Sonaten und Partiten für Violine ist es der zweite Zyklus, den Bach für ein unbegleitetes Streichinstrument komponiert hat.
Was genau ein Violoncello zu Bachs Zeiten war, ist alles andere als klar. Es gab damals eine Vielzahl von Bassinstrumenten, die in Grösse, Anzahl Saiten und Stimmung variierten. Sogar die Spielweise war nicht einheitlich, so finden wir unter anderem den Begriff „Violoncello da spalla“, ein Instrument also, das um die Schulter (ital. spalla) gehängt und ähnlich wie eine Geige gespielt wird. Die Textur der Suiten und die Tatsache, dass Bach selber Bratsche und vermutlich die Suiten selber gespielt hat, legen nahe, dass die Suiten für ein solches Instrument gedacht waren. Auch der Bogengriff war uneinheitlich, viele Cellisten spielen mit dem sogenannten Untergriff, wie er bei der Viola da Gamba üblich ist. (Siehe Abbildung)
Für uns CellistInnen, die wir die Suiten seit der Wiederentdeckung durch Pablo Casals in den 1920er Jahren als unser „Eigentum“ betrachtet haben, mag die Erkenntnis, dass sie möglicherweise gar nicht für „unser“ Instrument gedacht waren, etwas bitter sein; wir können uns aber damit trösten, dass man im 18. Jahrhundert mit instrumentalen Besetzungen sehr pragmatisch umgegangen ist und viele Werke je nach Gelegenheit uminstrumentiert worden sind. So hat Bach selber einzelne Sätze der Violinsonaten für Laute und Orgel, sowie die 5. Cellosuite für Laute bearbeitet. Einige Akkorde wurden bei diesen Filmaufnahmen von der Lautenfassung übernommen, insbesondere wird die Gigue fast gänzlich in der Lautenfassung gespielt, welche im Gegensatz zur Cellofassung fast durchgehend zweistimmig ist.
Für diese 5. Suite verwendet Bach in der Cellofassung eine sogenannte Scordatur (=Verstimmung), bei der die oberste Saite von A auf G herunter gestimmt wird, was dem Instrument eine dunklere Klangfarbe und andere Resonanzen verleiht. Diese Stimmung war im 17. Jahrhundert vor allem in Italien verbreitet.
Die 6. Suite ist für ein 5-saitiges Instrument geschrieben, in der Stimmung E-A-D-G-C, ein sogenanntes Violoncello piccolo. Ob dieses Instrument auf der Schulter (da spalla) oder zwischen den Beinen (da gamba) gespielt wurde, hing vermutlich vor allem davon ab, ob der Spieler eher von der Geige oder von der Gambe oder dem Cello kam.