B A C H S U I T E N
B A C H S U I T E N
JOHANN SEBASTIAN BACHS CELLOSUITEN IN ROMANISCHEN KIRCHEN UM THUN
DIE KIRCHEN
Im Umkreis von einigen Kilometern um Thun herum gibt es erstaunlich viele romanische Kirchen. Ob dies mit der Legende zu tun hat, die der Pfarrer von Einigen, Elogius Kiburger, im 15. Jahrhundert niedergeschrieben hat, ist heute kaum mehr zu eruieren.
Von den 12 Kirchen aus der Legende sind nicht alle erhalten, wenige sind noch nahe dem romanischen Originalzustand. Bei der Auswahl der Kirchen für die Filmaufnahmen wurden neben historischen auch ästhetische und klangliche Kriterien berücksichtigt. Aus der oben zitierten Strättlinger Chronik sind dies Scherzligen und Spiez, hinzu kommen die „Mutterkirche“ Einigen und die Kirchen von Blumenstein, Erlenbach und Kleinhöchstetten.
Die Legende:
Im Jahre 933 soll ein König Rudolf auf der Burg Strättligen bei Thun gelebt haben. Dieser Rudolf „habe eines Nachts einen Traum gehabt. Er habe eine grosse Stadt mit zwölf Toren erblickt und auf jedem Tor einen Engel die Wache halten sehen. Als er einen Priester nach der Bedeutung dieses sonderbaren Traumes gefragt, sei ihm zur Antwort geworden, er solle zwölf Kirchen als Tochterkirchen des Gotteshauses im Paradies, wie Einigen damals geheissen habe, erbauen lassen. Darnach, so fährt der Chronist fort, `vieng an küng Rudolff zwölff kilchen zu buwen und ze machen allenthalben umb inn in einem kreys`“*
*Quellen:
Max Grütter, Tausendjährige Kirchen am Thuner- und Brienzersee, Berner Heimatbücher Band 66, 1956, Verlag Paul Haupt, Bern
ERLENBACH
SPIEZ
EINIGEN
Das unscheinbare Kirchlein im Weiler Kleinhöchstetten bei Rubigen wird von den meisten, die von Bern nach Thun fahren, übersehen. In Münsingen aufgewachsen, habe ich es jedoch schon in meiner Kindheit in Konzerten und Gottesdiensten kennengelernt. Das 1000 jährige Bauwerk hat eine bewegte Geschichte. Im Mittelalter dank eines wundertätigen Marienbildes als Wallfahrtsstätte verehrt, wurde es nach der Reformation geschlossen und anschliessend während 400 Jahren wechselweise als Wohnung, als Backstube und als Wagenscheune gebraucht! Beinahe wäre es während des 2. Weltkriegs abgerissen worden, bevor es in den 1960er Jahren renoviert und wieder seinem ursprünglichen Zweck zugeführt wurde. Mein Grossvater hat sich damals noch für den Erhalt und die Renovation eingesetzt. So war es naheliegend, die Reihe der Aufnahmen hier zu beginnen.
Literatur: Zita Caviezel-Rüegg, Die Kirche Kleinhöchstetten, Schweizerische Kunstführer Serie 60, Nr. 592, 1996
ISBN 3-85782-592-8
Die Kirche von Erlenbach im Simmental thront am Hang über dem Dorf. Von aussen wirkt sie bescheiden und mit dem dicken Turm etwas gedrungen; umso überwältigender ist der Anblick der üppig bemalten Wände, wenn man sie betritt! Man wähnt sich inmitten eines Bilderbuchs, wenn man die erst 1931 wieder ans Licht geholten Fresken aus dem 14. Jahrhundert rundherum betrachtet. Viele Kirchen waren im Mittelalter reich bemalt. Wie farbenfroh muss das erst damals ausgesehen haben ohne die Patina der Jahrhunderte! In einer Zeit, wo es noch kaum Bücher gab, nur die Gelehrten lesen konnten und die Messe auf Latein gehalten wurde, erzählten die Wandbilder den Menschen die Geschichten aus der Bibel. Die 2. Suite mit ihrem erzählenden Charakter passt hier gut hin.
Literatur: Verena Stähli-Lüthi, die Kirche von Erlenbach i.S., Sonderdruck aus dem Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern, 63. Band, 1979, ISBN 3-85731-003-0
Verena Stähli-Lüthi, Die Wandmalereien in der Kirche von Erlenbach im Simmental, Kirchgemeinde Erlenbach im Simmental, 1994
https://www.erlenbach-be.ch/de/kultur-und-freizeit/kultur/die-kirche.php
Die Schlosskirche Spiez ist ein anschauliches Beispiel für die interessante Frage, welches denn eigentlich der erhaltenswerte Zustand einer Kirche ist. Bei der Renovation von 1949/50 entschied man sich hier, die barocken Veränderungen weitgehend rückgängig zu machen und die Kirche wieder in die romanische Form zurückzubauen. Die Fenster wurden wieder verkleinert, im Innern die Steinmauern unter dem Verputz freigelegt und insbesondere das Hochchor wieder hergestellt. Dieses Chor erhebt sich bewusst (ca 2m) hoch über dem einfachen Volk, um den Unterschied zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen zu betonen. Ich erinnere mich noch gut an ein Konzert des berühmten Cellisten Pierre Fournier von dort „oben herab“ in meinen Jugendjahren. Mir schien, dass die 3. Suite mit ihrer majestätischen Tonart C-dur am besten hierhin passt.
https://www.schloss-spiez.ch/schloss-/-kirche-/-park/kirche/geschichte-und-ausstattung
von Gabi Moshammer, Kunsthistorikerin
Laut der obenstehenden Legende soll Scherzligen eine der 12 Kirchen sein, die König Rudolf gebaut hat. Sie steht direkt am Ausgang der Aare aus dem Thunersee und hat ausser mit den bedeutenden Wandmalereien aus dem 13. - 16. Jahrhundert, der ältesten Holzdecke und den ältesten Chorfenstern im Kanton Bern (1380) und anderen Sehenswürdigkeiten mit einer faszinierenden „Erscheinung“ aufzuwarten: Jedes Jahr am 15. August, an Maria Himmelfahrt also, spiegelt sich die Sonne morgens um 8 Uhr so auf der Aare, dass der Lichtstrahl durch eines der Kirchenfenster fällt und genau in der Mitte über dem Spitzbogen des Chors die Erscheinung einer Madonna an die Wand projeziert. Die Entscheidung, hier die 4. Suite zu spielen, hat unter anderem mit der Akkustik zu tun. Es-dur ist eine „sperrige“ Tonart, die auf dem Cello wenig Resonanzen erzeugt, daher kommt der schöne Hall hier diesem Werk sehr gelegen.
http://www.scherzligen.ch/startseite/kirche-scherzligen/geschichte/
Die überaus malerisch gelegene Kirche von Einigen musste bei der Auswahl der Aufnahmeorte als ältestes Bauwerk und „Mutterkirche“ der 12 legendären Kirchen natürlich berücksichtigt werden. Hier hat von 1446 - 1456 der Pfarrer Elogius Kiburger gewirkt, welcher die für die romanischen Kirchen um Thun bedeutende „Strättliger Chronik“ niedergeschrieben hat. Es werden dieser Kirche und dem dazugehörigen Brunnen viele Wunderheilungen zugesprochen. Sie wird wie Scherzligen und Blumenstein oft von Pilgernden auf dem Jakobsweg besucht. Der Kirchenraum ist klein und fast familiär, aber eher dunkel, und die Akustik ist für eine romanische Kirche erstaunlich trocken. Es schien mir, dass die 5. Suite mit ihrer dunklen und durch die Scordatur (siehe DIE CELLOSUITEN) sehr speziellen Klangfarbe am besten hierher passt.
https://www.refkirche-spiez.ch/raeume-mieten/kirche-einigen/
Arthur Maibach: Die Kirche Einigen im Kontext mit den Wundertaten Jesu, Rediroma Verlag, 2021
Wer sich, vom Dorf kommend, der Kirche Blumenstein nähert, hat das Gefühl, sich langsam von der Zivilisation zu entfernen. Die Kirche liegt fast zwei Kilometer vom Dorfkern entfernt am Fuss und im Schatten der Stockhornkette, und in unmittelbarer Nähe eines rauschenden Wasserfalls. Der Ort wirkt irgendwie magisch, selbst wenn man nicht an die Legende glaubt, dass das Baumaterial nachts mehrfach von unsichtbaren Händen vom ursprünglich geplanten Platz im Dorf an den jetzigen Standort getragen worden sei. Ich kannte die Kirche schon lange von Konzerten und Aufnahmen und war immer angetan von der einmaligen Akustik und der gleichzeitig feierlichen und gemütlichen Atmosphäre, welche sie ausstrahlt, letztere vermutlich dank der schönen Holzdecke, die nachträglich eingezogen worden ist.
Diesen wunderbaren Raum habe ich mir für die strahlende 6. Suite aufgespart.
https://kirchenvisite.ch/kirche/050-blumenstein-kirche-blumenstein
BLUMENSTEIN
SCHERZLIGEN
KLEINHÖCHSTETTEN